Samstag, 8. November 2014

Die Neun Welten


  1. Muspelheim
  2. Niflheim
  3. Midgard
  4. Asgard
  5. Vanaheim
  6. Alfheim 
  7. Jotunheim
  8. Svartalfheim
  9. Hel

Muspellsheim, auch Muspell (altnordisch Muspellr, Muspellzheimr „Welt des Muspell“), ist in der Schöpfungsgeschichte der nordischen Mythologie ein feuriges Gebiet, das im Süden liegt, und das den Gegenpol zum eisigen und dunklen Niflheim im Norden bildet.



In der Vorzeit schmolz die Wärme Muspellsheims das Eis Niflheims im Ginnungagap, woraus sich der Riese Ymir, das erste Wesen der Welt, bildete.[1] Alle Himmelskörper, Sonne, Mond und Sterne, entstanden aus den umherfliegenden Funken Muspellsheims, die die Götter am Himmel befestigten.[2]

Muspellsheim als Gegend ist nur bei Snorri Sturluson in der Prosa-Edda überliefert.[3] Wahrscheinlich handelt es sich nicht um eine volkstümliche Vorstellung, sondern um eine Eigenschöpfung Snorris. Der zugrunde liegende kontinentalgermanische Begriff, der in etwa „Weltuntergang (durch Feuer)“ bedeutet, wurde offenbar in nordischer Zeit umgedeutet und als Riese Muspell personifiziert, den Snorri mit dem Feuerriesen Surtr gleichsetzte[4] und dessen Aufenthaltsort er nach Muspell Muspellsheim benannte.

Eine weitere Umdeutung erfährt in Snorris Kosmogonie auch die Konnotation von Muspell, in dessen Wortsinn das Verderben durch Feuer mitschwingt, die sich bei ihm jedoch in etwas Positives (eine Welt der Wärme und des Lichts) wandelt, vermutlich gemäß einer nördlichen Vorstellung, wonach der Süden eine Welt des Heils ist
[5]

.



[1]
Snorri Sturluson: Prosa-Edda, Gylfaginning. Kapitel 4 f. (Zitation der Prosa-Edda nach Arnulf Krause: Die Edda des Snorri Sturluson. Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-15-000782-2)


[2]
 Snorri Sturluson: Prosa-Edda, Gylfaginning. Kapitel 8 und 11


[3]
 Snorri Sturluson: Prosa-Edda, Gylfaginning. Kapitel 5, 8 und 11 als Muspellsheim und Kapitel 4, vielleicht auch 51 als Muspell


[4]
 Vergleiche Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. 3. Aufl., 2006, S. 290 f


[5]
 Vergleiche Jan de Vries: Altgermanische Religionsgeschichte. 2. Auflage. Verlag de Gruyter, Berlin – New York 1957, § 580

Niflheim (altnordisch Niflheimr „dunkle Welt“) ist in der nordischen Mythologie ein eisiges Gebiet im Norden, im Gegensatz zum heißen Muspellsheim, das im Süden steht.

In der Schöpfungsgeschichte liegt in Niflheim die Urquelle Hvergelmir, deren Wasser die Élivágar speiste; sie ergoss ihr eisiges Wasser in den Ginnungagap, das sich durch die Hitze Muspellsheims erwärmte, woraus der Riese Ymir als erstes Wesen entstand. Eine Wurzel des Weltenbaums Yggdrasill erstreckt sich über Niflheim.[1]

Niflheim ist als Begriff ausschließlich in der Prosa-Edda Snorri Sturlusons überliefert und dürfte seine eigene Schöpfung sein. Die Vorstellung einer mythischen Eisgegend im Norden mag aber älter sein, da Snorri Niflheim zweimal offenbar in Anlehnung an Niflhel mit Hel gleichsetzt.[2]


[1] 
Snorri Sturluson: Prosa-Edda, Gylfaginning. Kapitel 4 f., 15 (Zitation der Prosa-Edda nach Arnulf Krause: Die Edda des Snorri Sturluson. Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-15-000782-2)

[2]
 Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. 3. Aufl., 2006, S. 301

Midgard ist eine germanische Bezeichnung für die Welt oder die Erde.[1] Das Wort ist in dieser oder ähnlicher Bedeutung als gotisch midjungards, altnordisch miðgarðr, altenglisch middangeard, altsächsisch middilgard und althochdeutsch mittil(a)gart überliefert und wurde sowohl in der sakralen als auch der profanen Sprache verwendet[2]. Midgard, wortwörtlich „Mittelgarten“[3], meint dabei genau genommen den Wohnort der Menschen in der Mitte der Welt.[4]


In der nordischen Vorstellungswelt bilden Miðgarðr und Útgarðr zwei aufeinander bezogene Pole, die im Gegensatz zum vertikalen Weltbild des Weltenbaums Yggdrasil ein horizontales, kreisförmiges Weltbild beschreiben, das der Siedlungsstruktur des Nordens bis in die Zeit der industriellen Revolution hinein entspricht, in der das Bauerngehöft den Mittelpunkt der Welt bildet.[5]

Das Grundwort garðr, das im mittelalterlichen Skandinavien hauptsächlich für „Bauernhof“ stand, bedeutete jedoch ursprünglich eine Einfriedung, einen Grenzwall oder -zaun, wodurch die Welt in zwei gegensätzliche Bereiche aufgeteilt wird: in ein Innen und in ein Außen.[6] Das umfriedete Innere ist dabei der Lebensbereich des Menschen, in dem unter dem Schutz der Götter Kultur möglich wird, während im Außen die Dämonen und Riesen leben.[7]

In der eddischen Literatur ist somit Miðgarðr nicht nur die Welt der Menschen, sondern auch die der Götter.[8] Miðgarðr wird von den Göttern erschaffen, die sich darin ihre Burg Ásgarðr bauen. Danach weisen sie Miðgarðr den ersten Menschen Askr und Embla als Wohnort zu. Verschiedentlich wird mit Miðgarðr aber offenbar auch der Wall oder Zaun bezeichnet, der die Welt der Menschen vor den Riesen schützt.[9]


[1] 

Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. 3. Aufl., 2006, S. 278

[2]
 Vergleiche Klaus Böldl: Miðgarðr und Útgarðr. In: RGA XX. S. 11, der auf den profanen Gebrauch des Worts in einer Kenning hinweist

[3]
 Gerhard Köbler: Altnordisches Wörterbuch. 2. Auflage. 2003, S. 300 – Gerhard Köbler: Altenglisches Wörterbuch. 2. Auflage. 2003, S. 157

[4]
 Vergleiche Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. 3. Aufl., 2006, S. 278: Wohnort in der Mitte – Vergleiche auch Jan de Vries: Altgermanische Religionsgeschichte. 2. Aufl., 1957, § 579: „Dem Menschen bedeutet immer sein Wohnsitz das ‚Reich der Mitte‘.“

[5]
 Klaus Böldl: Miðgarðr und Útgarðr. In: RGA XX. S. 10 f. – Vergleiche auch Jan de Vries: Altgermanische Religionsgeschichte. 2. Aufl., 1957, § 579

[6]
 Klaus Böldl: Miðgarðr und Útgarðr. In: RGA XX. S. 10

[7]
 Klaus Böldl: Miðgarðr und Útgarðr. In: RGA XX. S. 10 
Jan de Vries: Altgermanische Religionsgeschichte. 2. Aufl., 1957, § 579

[8]
 Jan de Vries: Altgermanische Religionsgeschichte. 2. Aufl., 1957, § 579

[9]
 Klaus Böldl: Miðgarðr und Útgarðr. In: RGA XX. S. 11 
Vergleiche auch Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. 3. Aufl., 2006, S. 279

[10]
 Uwe Puschner: Mittgart - eine völkische Utopie. In: Utopien, Zukunftsvorstellungen, Gedankenexperimente. Literarische Konzepte von einer anderen Welt im abendländischen Denken von der Antike bis zur Gegenwart. Hrsg. v. Klaus Geus. Frankfurt/Main: Peter Lang, S. 153-181 (= Zivilisation und Geschichte 9)

Asgard (altnord. Ásgarðr „Heim der Asen“) ist nach der Edda der Wohnort des Göttergeschlechts der Asen. Über die Regenbogenbrücke Bifröst ist Asgard mit Midgard verbunden (Gylfaginning, 13).


Asgard wird im Grimnismál, dem zweiten Götterlied der Edda, als riesige Burg beschrieben. Diese besteht aus den zwölf Palästen der Götter und ist von unbezwingbaren Mauern umgeben. Die zwölf Himmelsburgen bestehen aus Gold und Edelsteinen, die Gitter der Paläste aus goldenen Speeren; Wände und Fußböden sind goldgetäfelt, an den Decken hängen die strahlenden Schilde der Helden. Als größte Säle werden Walhall und Sessrumnir genannt, in denen sich die Helden nach ihrem Tod versammeln. Von seinem Thron Hlidskialf aus kann der Hauptgott Odin alle neun Welten überblicken (Gylfaginning, 9).

Das Göttergeschlecht der Wanen lebt hingegen in Vanaheimr, was in den meisten Darstellungen zwar ebenfalls Teil des „Himmels“ ist, aber außerhalb Asgards liegt, ebenso Alfheimr, die Heimat der Alben. Selten wird Asgard auch als Teil Midgards dargestellt.

Nach Snorri Sturluson lag Asgard im Land östlich des Tanais (Don), wo auch historisch belegt die As (Alanen/Osseten) lebten - und Vanaheimr lag zwischen zwei Armen des Tanais.

"Im Norden von den Gebirgen, welche das ganze bewohnte Land umgeben, fällt ein Strom durch Swithjod, der mit Recht Tanais heißt; er hieß vormals Tanaquisl oder Wanaquisl; er strömt aus in das schwarze Meer. Das Land zwischen den Armen des Wanaquisl hieß damals Wanaland oder Wanaheim; der Strom sondert die drei Erdtheile; der nach Osten heißt Asia, der nach Westen aber Europa. Das Land im Osten vom Tanaquisl in Asia hieß Asaland oder Asaheim; die Hauptburg aber, die im Lande war, nannten sie Asgard." (Heimskringla)

Asgards Mauern ließen die Götter von einem Steinmetz errichten, der als Belohnung die Göttin Freya zur Gattin sowie Sonne und Mond erhalten sollte. Auf Anraten Lokis setzten die Götter ihm eine Frist. Er sollte den gesamten Bau in nur sechs Monaten, ohne jegliche Hilfe, fertigstellen. Der Reifriese akzeptierte die Bedingungen, bestand aber darauf, sein Pferd Svadilfari einsetzen zu dürfen. Zuerst unsicher, doch durch Loki bestärkt, dass auch ein Pferd dem Baumeister nicht helfen könne, das Werk zeitig zu vollenden, akzeptierten die Götter die Bedingungen. Zum Entsetzen der Götter schien es jedoch, dass der Baumeister seinen Teil des Handels einhalten könne – drei Tage vor dem Ende der Frist fehlte nur noch ein Torbogen. Das Pferd Svadilfari schaffte in der Nacht mächtige Steine heran. Daraufhin verwandelte sich Loki in eine Stute, verführte den Hengst Svadilfari und hielt ihn so von der Arbeit ab. Dadurch wurde die Frist nicht eingehalten. Loki gebar als Stute Odins Hengst Sleipnir. Wütend über die List der Götter gab sich der Baumeister als Hrimthurse zu erkennen, die mit den Göttern verfeindet waren, und wurde von Thor mit seinem Hammer Mjöllnir erschlagen.

Die zwölf Paläste Asgards:
Die Reihenfolge folgt der Aufzählung des Lieds Grimnismál (Strophe 4–17).


Bilskirnir, der Palast Thors in Thrúdheim, der vielleicht nicht zu Asgard gehört

Ydalir (Eibental), der Palast Ullers

Valaskjalf, der Palast Walis mit Odins Thron Hlidskialf, der eventuell Walhall entspricht

Sökkwabeck (gesunkene Bank, Schatzbank?), der Palast Sagas

Gladsheim (Froh- oder Glanzheim), der Palast Odins mit dem Saal der seligen Helden Walhall

Thrymheim (Donnerheim), der Palast Skadis

Breidablik (Breit- oder Weitglanz), der Palast Balders

Himinbjörg (Himmelsburg), der Palast Heimdalls

Folkwang (Volksfeld), der Palast Freyjas mit dem Saal Sessrumnir

Glitnir (der Glänzende), der Palast Forsetis

Nóatún (Schiffsstadt, Schiffsplatz), der Palast Njörðrs

Landwidi (Landweite), der Palast Vidars


Andere wichtige Gebäude und Orte in Asgard sind:


Fensalir, der Palast Friggs

Vingólf, die Versammlungshalle der Asengöttinnen

Idafeld, eine Schmiedewerkstatt sowie Versammlungs- und Richtplatz der Asen

Bifröst, die Regenbogenbrücke zwischen Asgard und Midgard

Hlidskialf, der Hochsitz Odins

Laut der Mythologie wird Asgard beim Ragnarök, der Götterschlacht, durch Surt in Brand gesteckt und zerstört.


Vanaheimr w
eitergeleitet von Vanaheim,
altnordisch für „Wohnort der Wanen“, eingedeutscht auch Wanenheim, ist in der nordischen Mythologie der Ort, an dem der Gott Njörd aufwuchs.[1] 

Im mythischen Weltbild Snorri Sturlusons (insbesondere in seiner Prosa-Edda) steht Wanenheim hingegen für den Wohnort der Wanen oder die Welt der Wanen.[2] Dieses Verständnis als göttlicher Gegenwelt zu Asgard geht aber wahrscheinlich nicht auf eine mythische Überlieferung zurück, sondern auf eine Deutung Snorri Sturlusons.[3]




[1] 
Lieder-Edda, Vafþrúðnismál, Strophe 39.


[2]
 Snorri Sturluson: Prosa-Edda, Gylfaginning, Kapitel 23.


[3]
 Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. 3. Auflage. 2006, S. 459
Álfheimr 
weitergeleitet von Alfheim

, auch Albenheim (altnordisch álfheimr „Welt der Alben“), ist in der nordischen Mythologie der Ort, den der Wanengott Freyr von den Göttern als Zahngeschenk erhalten hatte.[1] Die Zahngabe ist ein Geschenk anlässlich des ersten Zahnes eines Kindes. Da der Ort in der Reihe der Götterwohnorte erwähnt wird, ist es naheliegend, darin den Wohnort Freyrs zu sehen.[2]

Snorri Sturluson bezeichnet in der Prosa-Edda Álfheimr hingegen als Heimat der Lichtalben (ljósálfar). Räumlich liegt für ihn der Ort im Himmel im Gegensatz zur Heimat der Dunkelalben tief in der Erde.[3]

Die Verbindung zwischen Wanen und Alben ergibt aus der chthonischen Natur beider.[4] Die Trennung in eine Licht- und eine Dunkelalbenwelt durch Snorri ist offenbar christlich motiviert, sie ist jedoch schon in der zweiseitigen Natur der Alben, die in enger Beziehung zum Fruchtbarkeitskult und seinem Tod-und-Wiederkehr-Mythos stehen, enthalten.[5]



[1]
 Lieder-Edda: Grímnismál. Strophe 5. (Zitation der Lieder-Edda nach Arnulf Krause: Die Götter- und Heldenlieder der Älteren Edda. Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-15-050047-7)


[2]
 Jan de Vries: Altgermanische Religionsgeschichte. 2. Aufl., 1957, § 471 – Vergleiche auch Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. 3. Aufl., 2006, S. 13, der hinter diese Aussage ein Fragezeichen dafür setzt, dass sie letztlich nicht gesichert ist.


[3]
 Snorri Sturluson: Prosa-Edda, Gylfaginning. Kapitel 17 (Zitation der Prosa-Edda nach Arnulf Krause: Die Edda des Snorri Sturluson. Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-15-000782-2)


[4]
 Jan de Vries: Altgermanische Religionsgeschichte. 2. Aufl., 1957, § 471


[5]
 Vergleiche Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. 3. Aufl., 2006, S. 81 f., 244
Jötunheim 
weitergeleitet von Jotunheim

, auch Jötunheimr (altnordisch jǫtunheimr „Welt der Riesen“), ist in der altnordischen Literatur die Bezeichnung für eine im Osten liegende Gegend.


In der eddischen Literatur versteht man unter Jötunheim darüber hinaus auch einen eigenen Lebensraum der Riesen, der östlich von Midgard in Utgard liegt. Beide Bereiche werden durch den Eisenwald und mehrere Flüsse voneinander getrennt. In späterer Zeit, als sich die Vorstellung von einem Riesenreich gefestigt hatte, siedelte man es immer mehr im Norden an, da man mehr Kenntnisse über die östlichen Gegenden erlangt hatte. Im 19. Jahrhundert bürgerte es sich in Norwegen ein, das höchste Gebirge des Landes Jotunheimen zu nennen.
Svartálfaheimr, auch Schwarzalbenheim (altisländisch Svartálfaheimr „Welt der Schwarzalben“), ist in der nordischen Mythologie die unterirdische Wohnstätte der Zwerge. Der Ort findet sich nur in Snorri Sturlusons Prosa-Edda,[1] woraus geschlossen werden kann, dass er seine eigene Schöpfung ist.


Der Name Schwarzalbenheim lässt auf eine Gattung mythischer Wesen namens Schwarzalben (altisländisch svartálfar) schließen, die aber ebenfalls nur in der Prosa-Edda bezeugt sind und für Snorri wahrscheinlich dasselbe wie Zwerge waren.[2] Sie stehen bei ihm im Gegensatz zu den Lichtalben. Da sich diese Unterteilung der Alben nur bei ihm findet, dürfte sie nicht sonderlich alt sein.



[1] 
Snorri Sturluson: Prosa-Edda. Gylfaginning, Kapitel 33 und Skáldskaparmál, 37 (Zitation der Prosa-Edda nach Arnulf Krause: Die Edda des Snorri Sturluson. Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-15-000782-2)


[2]
 Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. 3. Aufl., 2006, S. 366
Hel als Unterwelt bezeichnet die unterirdische Totenwelt, die unter den Wurzeln des Weltenbaumes, der Esche Yggdrasil, liegt und über den Todesfluss Gjöll erreicht wird. Wie beim Hades der griechischen Mythologie ist eine Rückkehr fast unmöglich. Die Brücke zur Unterwelt wird von der Riesin Modgudr bewacht. Von hier aus führt nordwärts der Weg zur hochumwallten Burg der Hel. Über diese goldene Brücke schreiten und reiten die verlorenen Seelen. Niemand hat sie gerufen, doch auch niemand verwehrt ihnen den Zugang, selbst der Höllenhund Garm nicht, der unmittelbar vor dem Eingang in einer Felsenhöhle wacht. Er lässt die Eintretenden nie wieder hinaus. Neben dem Hund sitzt der Haushahn, Fialar, mit dunkelbraunem Gefieder, ganz anders als der Hahn der Götter, den ein goldener Kamm ziert. Wenn am jüngsten Tage die Hähne der Götter und Riesen die Recken zum letzten Kampfe wecken, dann kräht auch der Hahn des unterirdischen Reichs der Hel und weckt die Totenwelt.


In Hels Burg befinden sich große Säle. Kein Sonnenstrahl dringt in die Gemächer ein, selbst die Eingangspforte zeigt zum unwirtlichen Norden. Die Wände sind aus Schlangenleibern gebildet, und durch das Rauchrohr im Dach rinnt giftiger Regen. Die Burg ist von wilden Strömen umgeben, die Vergewaltiger und Mörder durchwaten müssen.

Hel wurde zunächst nicht als Ort der Strafe aufgefasst, erst später, auch unter Einfluss des Christentums, entstand die Vorstellung eines Orts der Bestrafung für Böse, insbesondere Lügner und Mörder. Der Name der christlichen Hölle leitet sich von Hel ab, dies wird bei der englischen Bezeichnung hell besonders deutlich. Die späte literarische Darstellung von Hel wurde auch stark durch antike griechische Mythologie verzerrt.
Quelle: wikipedia.org

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen